REISEBERICHT von Esther Kaiser

Reisebericht „The Berlin Voices in Baku, Aserbaidschan – vom 18.11.-24.11.2005“

Am 18.11.05 um 19h war es endlich soweit, nach langer Vorbereitung und Vorplanung vonseiten der Band und v.a. des Auswärtigen Amtes (Tausend Dank an unseren Gastgeber Klaus Brennecke, der nicht aufgehört hat, an dieses „verrückte“ Projekt zu glauben!): Die Berlin Voices mit der Sängerfraktion Sarah Kaiser, Esther Kaiser, Marc Secara und Kristofer Benn, sowie der Band mit Rolf Zielke, p, Ralph Graessler – b, Jens Dohle – dr und Markus Fritzsch am Sound hoben ab gen Baku.

Los ging´s erstmal nach Prag in einer klitzekleinen Propellermaschine... Das war noch ein richtiges und direktes Fluggefühl für unsere Gleichgewichtsorgane.... Von Prag ging´s dann weiter im Jet mit Ledersitzen und schnulziger Popmusik während Start und Landung. Ein fast leerer Flug, wir konnten uns also bequem ausbreiten und hatten Platz zum Ausruhen, denn die nächsten Tage würden nicht unanstrengend werden: 5 Konzerte an 4 Tagen waren geplant... Jens und Esther schwelgten noch in den frischen Südostasienerinnerungen der erst seit 3 Wochen vergangenen Tour und eh wir´s uns versahen waren wir – in Aserbaidschan, diesem fernen Land, das wir bisher nur aus den Nachrichten aus den 80-er Jahren (und jetzt nach der dubiosen Wahl wieder aktuell) kannten. Es schien fast nur ein Katzensprung – in nur 3.5 Stunden waren wir da, nördlich vom Iran, östlich von Georgien, direkt am Kaspischen Meer!

Am Flughafen ging es erstmal um die Klärung unserer Einreise – wir sollten die Visa direkt dort beantragen, eigentlich kostenlos, dann sollten wir aber doch wieder zahlen, es ging hin und her und wir warteten (Ortszeit in Baku war 4.30h... 3 Stunden vor unserer Zeit)

Photographieren am Flughafen war strengstens verboten, das mußte auch die rasende Reporterin Esther schnell erfahren: Auf Befehl eines grimmigen Uniformierten musste sie ihr eben gemachtes frisches Photo vom Flughafen wieder löschen, der Beamte wollte dann auch noch den Rest der Photos auf ihrer Digicam ansehen, ganz schön privat, fand sie... Endlich wurden wir dann abgeholt und fuhren durch die nächtliche aserbaidschanische Dunkelheit zu unserem Hotel, ein sehr schönes 4 Stöckiges Jugendstilgebäude im Zentrum der Altstadt, allerdings ohne Aufzug... die armen Kofferträger, immerhin hatten wir einiges an CDs und sonstiger Technik im Gepäck.

Am nächten Morgen vom Hotelfenster aus ein herrlicher Blick auf das bunte Treiben in der Altstadt... Ein alter Blumenverkaufer, der uns an herrlich duftenden Narzissen riechen liess...Ein Zeitungsverkäufer, der all seine Zeitungen im Arm hält, ganze Stapel und sich teilweise hinsetzt, um die eine oder andere Zeitung selbst zu lesen... In Baku kann man im November noch wunderbar draussen in der milden Sonne sitzen und den Passanten zusehen und dabei schwarzen Kaffee und süße Hörnchen für umgerechnet 20 Cent essen (oder auch leckeres Schawarma)...

Jede Menge schräger Gestalten flanierten an uns vorbei beim späten Frühstück in einem Strassencafe, v.a. die Männer sehen hier teils aus wie Zuhälter, mit spitzen sogen. Schnabel-Schuhen und gegeltem schwarzen Haar...

Wir haben viel Wunderbares und Wundersames gesehen in dieser lebendigen bunten Stadt Baku mit dem hellen südlichen Licht, die eine seltsame Mischung bildet aus europäischen Jugendstilaltbauten, spanisch anmutenden Hochhäusern und maurischen Einsprengseln (u.a. die Stadtmauer und manches offizielle Gebäude sehen orientalisch aus, v.a. auch die sogen. Karavanserei):

Den sogen. Mädchenturm, der so schwer zu erobern sei wie eine Frau und der mind. 2000 Jahre alt sein soll; einen alten, leider etwas zu modern instand gesetzten Palast auf einer Anhöhe mit herrlichem Blick auf´s Kaspische Meer und alten ausgegrabenen Thermen; die Hafenpromenade, wo der arglose Spaziergänger ab und an auch mal Opfer eines Übergriffs einer lebendigen verkleideten Mickey Mouse werden kann, den Vergnügungsort „Klein Venedig“, wo man Boot fahren und Baclava essen kann; wir sahen den bunten und quirligen Bazar (Markt), Verkäuferinnen, als auch junge hübsche Kellner mit Goldzähnen; Frauen tragen hier übrigens kein Kopftuch, teils sind sie sehr westlich gekleidet und sehr schick, shoppen kann man in der Innenstadt an jeder Ecke. Speziell ist, daß Männer, auch ausgewachsene Machos, hier oft Händchenhalten und sich umarmen, ist dort aber wohl ganz normal und alles andere als Homosexuell. Letztere werden leider in Aserbaidschan immer noch arg diskriminiert. 

Auf dem Markt bunte Farben überall, tiefrote Granatäpfel, grüne Kräuter, schneeweißer Schafskäse, blutrote Tierhälften, abgetrennte und zum Verkauf angebotene Schafsköpfe, die in die Leere schauten, aneinandergebundenes Geflügel und traurige kleine Katzen...Viel Rufen und Feilschen und zurückhaltendes gegenseitiges Mustern... Wir schienen überhaupt die einzigen Touristen in Baku zu sein... All das sahen und erlebten wir mit unseren wunderbaren Betreuern: Klaus Brennecke, unserem Gastgeber, dem Initiator des Ganzen, und Jamila, der agilen und strahlenden Mitarbeiterin der dt. Botschaft, eine echte „Bakuerin“, die uns stets mit Rat und Tat und viel positiver Energie zur Seite stand.

Den Abschluss des ersten bunten Tages bildete der Besuch des Jazz Centers Baku, wo wir also die kommenden Abende spielen sollten, dreimal öffentlich, einmal für unseren Sponsor Siemens – ein echter Jazz Ort zum Wohlfühlen, wunderbar geräumig, eine sehr schöne Bühne und – ein guter Koch!

An diesem ersten Abend machten wir auch die Bekanntschaft von Michael Nosiadek, der u.a. für den Deutsch-Aserbaidschanischen Wirtschaftsförderverein arbeitet und uns gleich sehr herzlich und zu einem Ausflug ins Umland von Baku einlud – wir waren begeistert. Und dieser Ausflug wurde dann auch etwas ganz Besonderes:

Uns erwartete eine Mondlandschaft mit völlig pflanzenlosen Bergen, wie im Wilden Westen und die Sensation: Sogenannte Schlammvulkane... Vulkane in allen Groessen (auch ganz kleine wie beim kleinen Prinzen), wo statt Lava einfach brauner Schlamm, durch Ergase, an die Oberflaeche kommt... Dann die endlose weite Landschaft mit den vielen Ölbohrtuermen und

Ölpipelines und schließlich die wiederum völlig andere, an eine Marlborowerbung erinnernde Felssteilwand-Kulisse mit steinzeitlichen Höhlenmalereien, bei denen sich nicht jeder in unserer Band einig war, ob die auch wirklich alle echt seien (die Entscheidung darüber wollten wir aber dann doch den Historikern überlassen)... Abschluss des Ausflugs war dann ein tolles Kebabessen am Kaspischen Meer (das Meer nur 2 Meter entfernt, Ost-Idylle mit Bohrtuermen und hungrigen Katzen im Blick). Rührend fand ich unseren Busfahrer, ein sehr schweigsamer, hingebungsvoller Raucher, der ein paar Brocken Deutsch konnte (er war mal als Soldat in Ostdeutschland stationiert), aber kein Wort englisch. Unsere Reiseführerin dagegen konnte umso besser englisch und redete fast in einem Fort...

Nun aber zu unseren Konzerten im Jazzcenter von Baku:

Wir haben uns in diesen vier Tagen regelrecht ein Publikum, ich möchte fast sagen -einen Fankreis – erspielt. Am ersten Abend, ein Sonntag, war der Jazzcenter ordentlich, aber nicht zum Bersten gefüllt. Die Leute waren offen, wirkten aber auch etwas unkonzentriert und noch ein wenig abwartend, was sie da wohl von uns erwarten würde... Wir spielten mit Energie und Spaß, wir spielten schnellen Swing, Bebop, Latin, Billie Joel-Pop... Teils gab´s bereits begeisterte Zwischenrufe aus dem Publikum (u.a. auch bei unserer aserbaidschanischen Ansage, die wir uns in Lautschrift aufgeschrieben hatten und die für einige Lacher und laute Verbesserungsvorschläge im Publikum führte), teils klingelte aber auch hier und da ein Handy und die Leute telefonierten (mitten im Konzert, ohne rauszugehen!) Das hat uns anfänglich etwas irritiert, diese andere Art von „Konzentration“ (oder auch Nicht-Konzentration) beim Konzert. Am zweiten Abend wurde es dann besser, will sagen, es wurde richtig gut und euphorisch, es wurde weniger telenoniert, dafür hatten sich vorne bereits ein paar kleine Fanblöcke gebildet, die Postkarten und Berlin Voices Plakaten wie mit Wunderkerzen schwenkten – klasse! (Danach musste natürlich fleißig signiert und photographiert werden) So ging es dann weiter und steigerte sich am dritten Abend nochmal -  die Konzerte wurden zu energiegeladene Shows... Wunderbar waren auch die stillen a capella Momente... Wir Voices haben das gemeinsame Musikmachen sehr genossen. Höhepunkt war jeden Abend der Gastauftritt unseres Gastgebers, des Saxophonisten Rain Sultanov, der Besitzer des Jazzcenters, ein toller Musiker und Initiator des jährlichen Jazzfestes in Baku! Wir durften dann alle seine CD mit nach Hause nehmen, sie läuft gerade im Hintergrund während ich diese Zeilen schreibe. Aserbaidschan ist ohnehin ein Land mit einer gewachsenen Jazztradition. Zwei bekannte Namen sind die international bekannte Sängerin und Pianistin Aziza Mustafazadeh und ihr Vater Vadif, ein gefeierter und leider früh verstorbener Jazzpianist, der viell für die aserbaidschanische Jazzszene getan hat.

Wie alle schönen Zeiten gingen auch die 5 Tage in Baku rasend schnell vorbei – am Mittwoch nach unserem Konzertabend für Siemens war es dann so weit – die Abreise nahte... Nach dem Konzert, wo wir noch reich beschenkt wurden mit bestem Beluga-Kaviar (Danke, Michael!) ging es nur nochmal rasch ins Hotel, um unsere Koffer zu holen und dann nachts um 3 direkt zum Flughafen.... Nach einem etwas wackeligen Nachtflug (Esther meint sogar das Schwarze Meer von oben gesehen zu haben) kamen wir morgens früh um 8 Uhr wieder in Tegel an....

Wir möchten allen Beteiligten danken, die diese Tour ermöglicht haben und uns diese Zeit so besonders schön gemacht haben:

Zuallererst Klaus Brennecke, unseren Gastgeber, der drangeblieben ist an diesem Projekt und der gute Musik liebt und fördert – wie wichtig ist es, solchen Menschen zu begegnen!

Dann möchten wir unseren Betreuern und Helfern Jamila und Michael danken, die uns die Zeit in Baku so versüßt haben!

Danke auch an Attila für das schöne Interview und den Champagner (von dem man angeblich sehr schnell einen Kater bekommen soll – ich habe es bisher noch nicht ausprobiert)

Ein großer Dank geht natürlich an Siemens, unseren Sponsor, ohne den all das nicht möglich gewesen wäre.

Auch dem deutschen Botschafter Herrn Lingemann möchten wir danken – für seinen Zuspruch und für das schöne a capella Konzert bei ihm in der Botschaft – wir haben uns sehr wohl gefühlt.

Hier endet mein Reisebericht -  wir werden uns noch lange und gerne erinnern an diese besondere Tour ins ferne Aserbaidschan und hoffen, daß wir eines Tages wiederkommen. 

 

Four Voices - One Sound